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Unser Stören bei den Olympischen Spielen

Veröffentlicht am 18.08.2016, 10:22 Uhr in Banja Luka, Bosnien und Herzegowina

Betreff: Zagreb – Banja Luka, Kroatien/Bosnien und Herzegowina


Am zweiten Fahrtag nach Zagreb überfahren wir die kroatisch-bosnische Grenze bei Kostanjica. Dreißig Kilometer zuvor haben wir nochmal auf einem Grundstück von Großeltern übernachtet, deren Tochter samt Familie in Deutschland lebt und gerade zu Besuch war – es ist unglaublich: Jeder zweite Kroate scheint Verwandte in Deutschland zu haben, die gerade zu Besuch sind.

Doch zum ersten Mal erfahren wir nicht ganz die absolut herzliche Gastfreundschaft, mit der wir sonst verwöhnt wurden. Als wir am Gatter halten, um nach einer Möglichkeit zu fragen, unser Zelt aufzustellen, sind es die Frauen, die es uns erlauben und offenbar kein Problem damit haben. Die Großmutter lädt uns auch dazu ein, die Toilette des Hauses zu benutzen. Doch als wir nach dem Aufbauen des Zeltes das Angebot wahrnehmen wollen und an der Terassentür klopfen, macht der Großvater fuchtelnde Gesten (wie stören ihn anscheinend beim Olympia-Schauen) und auch sein Schwiegersohn, der uns schließlich öffnet, wirkt leicht genervt. Nach Rücksprache mit den Frauen – die wir nicht mehr zu Gesicht bekommen – lässt man uns auf die Toilette, aber sehr willkommen fühlen wir uns nicht mehr. Am nächsten Morgen sind noch alle Rollläden des Hauses geschlossen, das Auto ist weg; wir verlassen das Grundstück, ohne uns zu verabschieden.

Nach dem Grenzübertritt werden die Straßen schlechter, rissiger, geflickter. Einige Kilometer überbrücken wir auf einem schlechten Schotterweg, der über die Hügel führt und einige Bauernhöfe ans Wegenetz anschließt. Wenn die nächste geteerte Straße drei Kilometer von deinem Haus entfernt ist, dann ist das wohl eine neue Dimension von Pampa.

Der Verkehr hingehen ist noch angenehmer als in Kroatien. In die Stadt Prijedor nehmen wir die Hauptstraße, laut Karte auf dem Niveau einer deutschen Bundesstraße, die aber dennoch angenehm ist für Radfahrer. Sie ist immerhin auch in gutem Zustand.

Die Stadt Prijedor verliert sich mit größerer Entfernung vom Stadtzentrum sehr diffus in der Landschaft, soll heißen die Häuserdichte nimmt mit größerer Entfernung sehr langsam ab. Und so fahren wir hinter Prijedor auf der Suche nach einem Schlafplatz durch lose zusammengewürfelte Häuser mit großen Grundstücken und immer wieder Feldern dazwischen.

Vor einem der Häuser steht eine Frau mittleren Alters im Garten. Schöner Rasen, kein Zaun, kein Hund: Die Voraussetzungen sind gegeben. Wir halten und bringen gestenreich unser Anliegen vor. Die Frau holt im Haus einen Mann, er spricht Englisch mit uns und erlaubt uns das Zelten. Hinter dem Haus sei es ruhiger, „but be careful. There are turkeys and, you know, they shit around.“ Wir entscheiden uns für die Gesellschaft von Truthähnen anstelle der Autos auf der Straße. Die Frau tischt Äpfel und Birnen aus dem Garten auf, wir schneiden die Maden heraus und tuen uns daran gütlich. Der Mann ist ihr Sohn, Mitte dreißig und hat sich selbst Englisch beigebracht – dafür ist es erstaunlich gut! Er arbeitet als Techniker und repariert Eisenbahnen. „Interesting“, kommentiere ich. „Not really. It's hard work and poorly paid. [...] Any job is poorly paid in this country, except in politics. [...] Elections are less about content, the two major parties are almost the same. They are more about who is in power to steal from the people.“ Wir schlafen schließlich mitten im Truthahngehege.

Am folgenden Nachmittag treffen wir in Banja Luka ein, der zweitgrößten Stadt des Landes. Wir übernachten hier in einem Hostel und spazieren durch die Stadt. Bosnien und Herzegowina ist religiös sehr durchmischt, Muslime leben neben Christen. Banja Luka wurde im Krieg von Kampfhandlungen verschont, dennoch wurden gezielt Kirchen und Moscheen in Schutt und Asche gelegt. Vor allem die jüngeren Generationen werden immer toleranter, aber dennoch gärt der Konflikt auch noch Jahre nach dem Krieg. Die wichtigste Moschee Banja Lukas wurde erst im Mai dieses Jahrs wiedereröffnet, nach elfjähriger Bauzeit – sie wurde nach der Bauweise der ersten Moschee an dieser Stelle aus dem 17. Jahrhundert gebaut. Bereits 2001 sollte mit dem Bau begonnen werden, aber gewaltsame Proteste mit brennenden Autos und sogar einem Todesfall verzögerten den Baubeginn. Die Grundsteinlegung erfolgte schließlich 2005 im Geheimen. Das alles wurde uns persönlich bei der Besichtigung erzählt.

Auch die orthodoxe Kirche ist sehr sehenswert. Ein Mann steht hinter einem Tresen und murmelt Gebete. Sonst sind wir alleine. Allgemein ist das etwas ziemlich cooles an Städten wie Banja Luka: Obwohl es keine Stadt komplett ohne Sehenswürdigkeiten ist, gibt es keine Touristen. In Belgrad, unserem nächsten Ziel, wird das wieder anders sein.



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