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300 km verbleiben nach Edirne bis Istanbul. Fünf Tage haben wir Zeit, denn unser Hostel ist bereits gebucht. Nach 230 km wollen wir die Schwarzmeerküste bei Yeniköy erreichen und dort noch einen Tag Pause machen. Für diese Strecke sind entsprechend drei Tage eingeplant. Sehr viel Zeit für 230 km. Doch es lohnt sich:
Zunächst mal ist der europäische Teil der Türkei, den wir bis nach Istanbul durchqueren müssen, gar nicht so flach, wie erwartet. Berge gibt es zwar nicht, es reiht sich Hügel an Hügel und wir müssen rauf und runter fahren, um sie zu überqueren. Dazu kommt, dass der Gegenwind weiter anhält. Bis Istanbul. Egal, ob wir nach Norden, Osten oder Süden fahren, der Wind dreht sich immer mit und kommt von vorn. Nicht zuletzt drückt der Verkehr auf die Stimmung. Wir fahren hier vor allem Hauptverkehrsstraßen: Anfangs sind diese noch praktisch unbefahren und angenehm zu beradeln. Doch je näher man Istanbul kommt, desto stärker wird der Verkehr, insbesondere auch LKWs. Und gerade dort fehlen auf unserer Karte die Alternativen zu diesen Hauptverkehrsstraßen. Noch zu erwähnen wäre, dass in dieser Region offenbar Stein und Sand für die ganze Türkei abgebaut wird. Die Kipplaster, die uns hier einer nach dem anderen überholen sorgen für reichlich Staub in der Luft und versauen uns dadurch vermutlich unsere bisherigen Zigaretten-freien Jahre.
Aber genug genörgelt, die Türkei zu beradeln ist keineswegs nur eine Qual. Die Straßenqualität ist zum Beispiel noch verhältnismäßig gut. Aber der wirkliche Hammer sind hier einfach die Menschen! Als ich in Edirne vor der Bank auf Fabian bei den Rädern warte, schenkt mir eine Frau einfach eine Coladose. Und kurz darauf drückt mir ein Mann eine Flasche Wasser in die Hand.
Noch lustiger wird das ganze bei unserer Fahrt über Land: Wir können so gut wie kein türkisches Wort. Eigentlich nur eins: Çay. Fährt man durch einen Ort wird man als Radler sehr oft mit „Çay“ gegrüßt. „Çay“ heißt dabei jedoch nicht etwa „Hallo“, sondern „Tee“.
In Havsa, dem ersten Ort hinter Edirne, verlassen wir die Hauptstraße, um ein paar Dinge einzukaufen. „Çay“. Beim Bäcker werden wir zum Tee eingeladen. Irgendwo vor Lüleburgaz steht am Straßenrand eine alte Tankstelle, daneben ein noch älterer Schuppen, vor dem ein paar Männer sitzen. „Çay“. Man winkt uns heran, wir trinken Tee. Dort gibt es sogar ein goldenes Buch, in dass sich seit 1984 dutzende Radreisende eingetragen haben. Wir fügen einen weiteren Eintrag hinzu und fahren weiter. Am nächsten Morgen radeln wir durch Evrensekiz. „Çay“. Wieder gibt es eine Runde Tee. Wir haben noch nicht mal ausgetrunken, da tritt schon der Besitzer eines nahen Restaurants an unseren Tisch und macht Essbewegungen. Wir bekommen Dönerfleisch, Brot, eine Cola, Tomaten. 5 km vor Safaalan ruft ein Mann aus einem Mercedes. Er spricht Deutsch, trägt Hemd und erzählt uns stolz und geschäftsmännisch davon, dass er irgendein Betriebsleiter ist. Er will vorfahren und in Safaalan auf uns warten. Dort trinken wir zwei weitere Tee.
Am Abend erreichen wir Gümüspinar. Als wir unser Nachtlager in einem Park aufschlagen, kommt mal wieder ein deutschsprechender Türke auf uns zu gelaufen. Ob wir nachher noch ins Dorfcafé kommen wollen? Wir trinken weitere Tee …
Weiterer Lichtblick: Nachdem wir uns an bulgarische Preise gewöhnt hatten, waren die griechischen Preisschilder doch ein leichter Schock gewesen. Die Türkei ist wieder geldbeutelfreundlicher. Zumindest außerhalb Istanbuls. Hier ruft zwar auch ständig jemand „Çay“, aber hier will er dafür Geld haben!
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