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Schlafplatzsuche in Kistanje

Veröffentlicht am 12.07.2013, 08:56 Uhr in Split, Kroatien

Betreff: Povljana – Split, Kroatien


Mittwoch, 10 Juli, kurz nach halb acht: Auf der Suche nach einem Schlafplatz jagen wir auf unseren Rädern in der Dämmerung über die verlassenen Landstraßen nordwestlich von Kistanje. Der nächste Campingplatz ist vierzig Kilometer weit entfernt – zu weit für diese späte Uhrzeit. Wir fahren an einigen Bauernhöfen vorbei: Eigentlich potentielle Möglichkeiten nach einem Zeltplatz im Hof zu fragen, aber die meisten Bauernhöfe sind verlassen und heruntergekommen. Wir erreichen Kistanje, es ist mittlerweile acht Uhr. Die eine Hälfte der Häuser gleicht den Bauernhöfen: Sie sind verlassen, heruntergekommen, Fensterscheiben sind eingeschlagen, teilweise sogar von Pflanzen überwuchert. Die andere Hälfte der Häusers ist anscheinend bewohnt, sieht aber dennoch nicht viel besser aus. Immerhin hat es einen kleinen Laden. Wir lehnen unsere Fahrräder an die Mauer, ich betrete den Laden, während Fabian draußen die Fahrräder bewacht. Ich bin der einzige Kunde. Als ich wieder auf die Straße trete (Fabian geht derweil einkaufen) spricht mich ein Mann im Unterhemd an: „Woher? Wohin?“, die üblichen Fragen. Ich erwähne beiläufig, dass wir noch einen Schlafplatz suchen; vielleicht kennt er ja einen Campingplatz, den unsere Karte nicht kennt. Ein Kind fährt auf einem klapprigen Fahrrad vorbei – klapprig, denn es fehlen die Reifen; das Kind fährt auf den nackten Felgen. Der Mann sagt, wir sollen vor der Kirche Zelten, dem einzigen halbwegs modernen Gebäude, dass wir sehen – und vermutlich der einzige Ort in diesem Loch, von dem wir mit unserem Zelt wieder weggeschickt worden wären. Nein, wir schlafen nicht vor der Kirche. Stattdessen fahren wir in die Wohngebiete. Die Häuser hier sehen ein wenig besser aus: Backstein, aber unverputzt. Auf den Terrassen sitzen alle möglichen Leute rum. Kinder, Jugendliche und Hunde streunen herrenlos durch die Straßen. Die Hunde hinter den Zäunen bellen uns beim Vorbeifahren an. An einer Ecke steht ein einsames Pferd und grast auf einer Verkehrsinsel. Wohl fühlen wir uns hier nicht; wir beschließen, doch den eigentlich zu weit entfernten Campingplatz zu nehmen, dort vielleicht um 10 Uhr oder noch später anzukommen, egal.

Wir verlassen also im Eiltempo die Stadt. Wenigstens sind die Temperaturen um diese Zeit angenehm. Nach zwei Kilometern fahren wir mal wieder an einem Bauernhof vorbei, doch diesmal steht ein Mann davor und winkt uns zum Gruß zu. Das ist unsere Chance: Wir halten am Tor und der Mann kommt auf uns zu. Mit „Do you speak English?“ versuche ich das Niveau der anstehenden Kommunikation abzuschätzen. Der Mann spricht kein Englisch, aber er lächelt freundlich. Für das Kommunikationsniveau bedeutet das: Gestikulieren. Wir deuten auf unser Zelt im Packsack und dann auf seinen Hof. Verständnisloses Lächeln beim Bauern. Wir bilden mit unseren Armen ein Dreieck über unserem Kopf und legen unsere Backen schräg auf die Handaußenflächen. Wir holen Zettel und Stift heraus und zeichnen als Zeltsymbol ein Indianer-Tippi. Der Mann erklärt uns den Weg zu unserem Campingplatz. Erneut deuten wir ausdrucksvoll auf die Zeichnung und auf seinen Hof und endlich scheint er zu verstehen. Wir schieben unsere Räder vorsichtig durch das Tor. Schnell bauen wir unser Zelt unter einer Pergola mit Weintrauben auf, um unser Anliegen endgültig deutlich zu machen. Der Mann bringt uns anscheinend selbstgemachten Wein und Paprika aus dem Gemüsebeet. Eine uralte Frau kommt lächelnd aus dem Haus, offensichtlich über die Abwechslung erfreut, die unser Besuch ihrem Leben bietet. Überaus glücklich über unseren Schlafplatz legen wir uns schlafen.

Am nächsten Morgen weckt uns das kräftige Kikeriki eines Hahns. Die Hühnerhaltung sollte deutschen Betrieben ein Vorbild sein: Pro Huhn sind das hier sicherlich zwanzig Quadratmeter Auslauf. Wir bekommen Kaffee und Kekse zum Frühstück serviert. Wir mögen beide keinen Kaffee und füllen Milch nach, wann immer uns der Bauer mal kurz alleine lässt. Seltsamerweise ist er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr so herzlich wie zuvor. Wir bedanken uns für die große Gastfreundschaft und verlassen den Hof.

Ähnliches Spiel am nächsten Abend. Nach einem wechselhaften Tag (heiß, Regen, heiß) rollen wir auf Split zu. Doch Gewitterwolken kündigen wieder nasses Unheil an. Wir wollen uns beeilen und in einem Hostel in Split schlafen, dass unser Reiseführer uns nennt. Doch wir sind zu langsam, der Regen holt uns ein und wir stellen uns drei Kilometer vor dem Stadtzentrum unter einer Bushaltestelle unter. Nach einer halben Stunde hört der Regen zum Glück wieder auf. Die immer noch kräftige Sonne und der nasse Asphalt gleichen einer Sauna. Wir rollen auf unseren Rädern langsam durch die Innenstadt von Split. Doch das Hostel ist voll, anscheinend ist irgendein Festival oder Konzert. Wir holen uns an einer Touristeninformation eine Karte, in der noch mehr Hostels eingezeichnet sind und fragen noch bei vier weiteren an: Keine Chance. Es ist mittlerweile acht Uhr und wir beschließen, einen Campingplatz am Stadtrand aufzusuchen. Das bedeutet sechs Kilometer auf der dreispurigen Stadtautobahn (die offiziell keine Autobahn ist und daher mit dem Fahrrad befahren werden darf). Eine wilde Jagd über Seitenstreifen und Ausfahrspuren. Nicht nur die Hostels von Split sind belegt, auch der riesige Campingplatz ist mit Zelten nur so vollgestopft; zum Glück findet man an einer Ecke noch einen Platz für unser kleines Zelt. Erleichterung bei Fabian und mir.

Heute machen wir unseren zweiten freien Tag und fahren nachher mit dem Bus nach Split rein. Laut Reiseführer eine der eindrucksvollsten römischen Ruinen, die noch so gut erhalten ist – okay, die tragen ja gerne mal ein bisschen dick auf, aber wir werden‘s sehen ...



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