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Der Bestimmungsort von SUVs

Veröffentlicht am 25.03.2018, 10:59 Uhr in Jagat, Nepal

Betreff: Anfahrt Kathmandu – Jagat


Der Annapurna-Circuit im weitesten Sinne verläuft von der zweitgrößten Stadt Nepals, Pokhara, einmal um das Annapurna-Massiv herum und endet wieder in Pokhara. Naheliegenderweise sind die Abschnitte in der Nähe Pokharas weniger reizvoll und eigentlich läuft niemand den kompletten Kreis aus. Ein typischer Startpunkt ist Besisahar, eine Stadt, die sich gerade noch per Bus erreichen lässt. Danach geht es nur noch per Jeep weiter.

Zunächst fahren wir mit dem Bus, der Kathmandu mit Pokhara verbindet bis Dumre, um von dort mit einem kleineren Bus nach Besisahar weiterzureisen.

Die Busfahrt nach Dumre erweist sich als sehr viel angenehmer, als die zum Langtang-Trek. Das beginnt schon damit, dass der Bus eine Stunde später losfährt und das auch recht nah bei unserem Hostel in Kathmandu. Der Bus ist außerdem größer und bietet fast so viel Beinfreiheit wie ein Reisebus in Deutschland. Zu unserem Erstaunen bekommt jeder Passagier sogar eine Flasche Wasser ausgeteilt und Zeitungen werden herumgereicht – darunter die englischsprachige „The Himalayan Times“. Aber das wichtigste: Die Hauptstraße zwischen den beiden größten Städten des Landes, Kathmandu und Pokhara, ist dann doch geteert und jede Fahrtrichtung hat grundsätzlich ihre eigene Spur.

Und sogar die Straße von Dumre nach Besisahar ist geteert. Die Beinfreiheit und Sitzbreite in diesem Bus ist allerdings selbst für Nepalesen verdammt knapp bemessen; so gequetscht saßen wir noch nie in einem Bus. Wie beinahe schon gewohnt, drängen sich bald zugestiegene Fahrgäste im Mittelgang. Teilweise sitzen sie mir praktisch auf dem Schoß, was möglich ist, da ich mein Bein – mangels Platz vor mir – seitlich im Mittelgang abgestellt habe. Es ist eng, heiß und für die 42 Kilometer brauchen wir zweieinhalb Stunden.

Unser Plan sieht allerdings vor, nicht in Besisahar, sondern in Jagat loszuwandern. Wir treffen ein paar Deutsche und wollen uns mit ihnen zusammentun, um einen Jeep zu teilen, doch sie wollen noch deutlich weiter als bis Jagat fahren und das sei heute nicht mehr möglich, da die Jeepfahrer die Strecke nicht bei Dunkelheit befahren wollen.

Schließlich finden wir drei Inder, mit denen wir uns einen Pick-up-Geländewagen nach Jagat teilen können. Die Rucksäcke kommen hinten auf die Ladefläche und wir zwängen uns in die Kabine – vorne drei Sitze, hinten eine Sitzbank für maximal drei Personen, was mit dem Fahrer zusammen aufgeht. Kurz bevor die Fahrt losgeht, wirft ein Nepalese in unserem Alter sein Rucksack zu den unseren auf die Ladefläche und schiebt sich noch zu uns dreien auf die Rückbank.

Erinnerungen an die letzte Busfahrt kommen auf. Als sich der Pick-up in Bewegung setzt, kommen Erinnerungen an die Langtang-Busfahrt auf. In Deutschland erfreuen sich SUVs immer größerer Beliebtheit, doch Deutschland ist weit entfernt vom wahren Bestimmungsort für Geländewagen. Der wahre Bestimmungsort ist die Straße von Besisahar nach Jagat.

Schottersteine groß wie Handbälle, zentimetertiefe Schlammlachen, Bäche, die die Straße queren, Schlaglöcher ohne Ende, extreme Steigungen und Gefälle. Selbst mit dem Geländewagen schrammen mehr als einmal Steine über unseren Unterboden; ich würde schon sagen, dass wir hier der Grenze dessen, was mit einem Geländewagen gerade noch machbar ist, nicht allzu weit entfernt sind. Viele Abschnitte sind nur im Schritttempo zu überwinden; trotzdem stoßen wir uns im Wageninneren immer wieder den Kopf an der Decke, die Schulter an der C-Säule und die Hüfte am Türgriff an. Bei Gegenverkehr ist Zentimeterarbeit gefragt.

Am Wegesrand stehen zwei nepalesische Frauen mit vier Kindern und rufen dem Fahrer etwas zu. Der Jeep hält. Die Frauen und Kinder springen auf die Ladefläche. Bei jedem Schlagloch und jedem Stolperstein hört man die Kinder vor Aufregung aufschreien.

Nach ein paar Kilometern sind unsere nepalesischen Mitfahrer offenbar am Ziel. Wir halten und sie gehen ihrer Wege. Einer der Inder fragt den Fahrer etwas auf Hindi (die Ähnlichkeit von Nepalesisch und Hindi ist zur Verständigung ausreichend), steigt schließlich mit einem seiner Kumpel aus und geht nach hinten. Ich zögere kurz. Wann werde ich das nächste Mal die Gelegenheit haben, auf der Ladefläche eines Geländewagens mitzufahren? Und dazu noch auf so einer Straße?

Kühler Wind weht mir die Haare aus dem Gesicht, während ich mich am Überrollbügel festklammere, wie ein Windsurfer an seinem Segel. Nach den beengten Verhältnissen in Bus und Jeep ist das hier pure Freiheit. Links wechseln sich Felshänge mit Urwaldbäumen, Farnen und Bambus ab, die über die Straße hängen; rechts fließt ein reißender Fluss durch eine Schlucht. Und mittendurch führt unser schlammiger, steiniger Weg, wie gemacht, um einen Geländewagen an seine Grenzen zu bringen. Ich war Indiana Jones noch nie so nahe. Fehlen eigentlich nur noch Schlapphut und Peitsche ;-)



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