< Vorheriger Bericht < | Übersicht | > Nächster Bericht > |
In Deutschland wohnt man am Arsch der Welt, wenn der nächste Supermarkt zwanzig Auto-Minuten entfernt ist. In Nepal hat das andere Dimensionen. Die Nepalesen, die hier in Kyanjin Gompa wohnen, müssen erstmal dreißig Kilometer einem Trampelpfad folgen, ehe sie auf eine Straße treffen, die Yani treffend als „Ziegenpfad“ bezeichnet hat, und von wo aus der Bus sieben Stunden bis in die nächste nennenswerte Stadt, Kathmandu, braucht. In den kommenden drei Tagen werde ich den Weg eines Bewohners von Kyanjin Gompa zum nächstgelegenen Supermarkt nachempfinden.
Und doch macht Internet auch vor solchen Orten nicht halt. Zwar ist Wifi in den Hostels theoretisch nicht immer kostenlos, praktisch verwenden aber alle dasselbe Passwort „12345678“.
Die Britin ist heute Morgen (wie am Vorabend angekündigt) schon früher aufgestanden und losgelaufen und so mache ich mich alleine auf den Rückweg. Nach dem anstrengenden Aufstieg ist der Abstieg ein Kinderspiel. Schnell sammele ich Kilometer das Tal hinab. Nach einer Weile stecke ich mir zum ersten Mal Ohrstöpsel in die Ohren und höre etwas Musik, was meinem Tritt weiter beflügelt. Bei bestem Wetter, bester Musik und bester Laune renne ich beinahe den abschüssigen Weg entlang.
Zur Mittagszeit setze ich mich vor einem Guesthouse in die Sonne, bestelle einen Tee mit Yak-Milch und esse dazu Kekse, die ich zuvor am Wegesrand gekauft habe. Vier Australier in den Fünfzigern setzen sich zu mir an den Tisch und wir diskutieren kontrovers die Vor- und Nachteile von Sitz- und Hocktoiletten, und welche Art zu Kacken denn nun die richtige ist. Anatomische, hygienische, praktische, kulturelle und evolutionsbiologische Gesichtspunkte werden berücksichtigt. Der Australier zu meiner Linken argumentiert hartnäckig für westliche Sitztoiletten, während die anderen eine ausgewogenere Meinung zu dem Thema haben, und auch eine Lanze für die Hocktoiletten brechen.
Am Nachmittag kehre ich schließlich in die Baumzone zurück. Es ist 14:00 Uhr und in vier Kilometern will ich übernachten – später macht wenig Sinn, da ich sonst zu früh wieder auf die Straße treffe, wo der Bus abfährt. So schlendere ich mehr als dass ich wandere durch den Wald. Immer wieder bleibe ich stehen und suche die Kronen der knorrigen, moosbewachsenen Bäume sowie die Flussufer nach dem Kleinen Panda ab, aber keiner will sich mir zeigen. Beim Abendessen in der Lodge frage ich einen nepalesischen Tourguide, der zusammen mit einer deutschen Rentnerin unterwegs ist, ob er hier schon mal Kleine Pandas gesehen hat. Einmal, meint er, und da auch nur kurz, weil das Tier sofort im Gebüsch verschwunden ist. Gehört offensichtlich also schon eine ganze Menge Glück dazu.
Am nächsten Morgen verlasse ich den ausgetretenen Hauptweg, der am Grund des Tals entlangführt und den ich vor vier Tagen hochgelaufen bin. Ich folge einem alternativen Pfad, der hoch oben am Steilhang verläuft und von dem aus man immer wieder nach unten in das tiefe Tal blicken kann. Und plötzlich sind alle Touristen verschwunden. Trifft man auf der Hauptroute meist viele Male pro Stunde auf „Gegenverkehr“, treffe ich hier während der ganzen sechs Stunden nur auf drei Israelis, die gerade auf dem Weg sitzen und Pause machen, als ich vorbeikomme. Und natürlich auf mehrere Gruppen von Maultieren, die – meist mit Zementsäcken beladen – von einem Nepalesen mit einem Holzknüppel und Steinwürfen die Berge hoch und runter getrieben werden.
Am späten Nachmittag treffe ich wieder in Syabru Besi ein. Morgen wartet somit der letzte Teil des Weges zum nächsten Supermarkt auf mich: Die Busfahrt zurück nach Kathmandu.
< Vorheriger Bericht < | Übersicht | > Nächster Bericht > |