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Transnistrien – das Land, das keines ist. Es gibt fast sämtliche Einrichtungen, die einen souveränen Staat ausmachen: Eine eigene Währung, Regierung, Polizei, Militär, Reisepässe und eben auch Einreisebestimmungen. Nicht zuletzt deswegen ist ein Besuch spannend. Und ein wenig nervenaufreibend sollte es tatsächlich werden.
Alles beginnt ganz harmlos an einem kleinen Grenzübergang hinter der moldawischen Stadt Hirbovat. Ich meide die Hauptstraße von Chisinau nach Tiraspol, schließlich bin ich per Rad unterwegs. Der transnistrische Grenzposten an der kleinen Landstraße besteht nur aus zwei Containern, einer für die Grenzpolizei (die militärisch anmutende Uniformen trägt) und einer für den Zoll. Jeder hat seine eigene Schranke. Ich schiebe mein Rad langsam heran und spähe in den ersten Container. Obwohl es nur ein kleiner Checkpoint ist, tummeln sich vier, fünf Beamte darin. Sie alle sind freundlich. Man fragt mich nach meinem Reiseziel und verschwindet mit meinem Pass im Container. Es wird diskutiert, telefoniert. Nach geschätzten zehn langen Minuten bekomme ich meinen Pass wieder. Aber durchfahren darf ich nicht. Mit einem Handy-Übersetzungsprogramm versucht man mir zu verstehen zu geben, dass ich doch zum großen Grenzübergang auf der Hauptstraße muss. Für Ausländer scheint man hier nicht gewappnet. Man malt mir noch eine Wegbeschreibung auf Papier und ich fahre die paar Kilometer Umweg zum großen Checkpoint.
Dort angekommen nimmt man wieder meinen Pass mit ins Grenzgebäude. Was ich weiß: Ich müsste einen Einreisezettel bekommen und ggf. die Adresse eines Hotels angeben. Damit sollte ich 24 Stunden in Transnistrien bleiben dürfen und die kann ich in einem Büro in Tiraspol nochmal verlängern. Was ich auch weiß: Korruption ist durchaus ein Thema an transnistrischen Grenzübergängen. Nach erneuten langen zehn Warteminuten bittet man mich in einen Raum, zwei Stühle, ein Tisch, zwei junge Grenzer. Der Einreisezettel liegt schon ausgefüllt auf dem Tisch. „Problem“, fangen sie an und zeigen auf den moldawischen Einreisestempel in meinem Pass. Mehr als ein paar Brocken Englisch kann hier keiner. Es scheint, als wollten sie mir weismachen, der fehlende moldawische Ausreisestempel sei ein Problem. Der fehlt, weil Moldawien an der Grenze zu Transnistrien nicht stempelt, da es Transnistrien weiterhin als Teil des eigenen Territoriums betrachtet. Das ist aber ganz normal, darüber wird in dutzenden Blogs im Internet berichtet und keiner hatte damit Probleme, auch nicht später bei einer Einreise zurück nach Moldawien. Dass ein fehlender moldawischer Stempel ein Problem für Transnistrien sein soll, macht noch weniger Sinn.
Man will wissen, wo ich hinwill, ich sage Tiraspol und Odessa. Wie lange ich in Tiraspol bleiben will. Zwei Nächte. „Problem“. Offenbar ist das nicht möglich. Man fragt mich „Hotel?“ Ich nicke und nenne mein Hostel. Sie kennen es und fragen „Lenina Street 28?“ Ich nicke, das ist die Adresse. Aber nach wie vor machen sie nicht den Eindruck, dass Problem sei gelöst. Übernachten darf ich in Tiraspol offenbar nicht. Man vermittelt immer noch den Eindruck, ich tue etwas Illegales und man sagt „Protokoll“. Er schreibt meinen Nachnamen auf ein kyrillisches Formular. Ich sage: „Registration Tiraspol“ und meine damit die Verlängerung meines Aufenthaltes. Sie nicken, ja, Registration. Und ganz plötzlich legen sie das „Protokoll“ beiseite, geben mir den Einreisezettel und sagen „Okay, go, go“. Ich will nochmal nachfragen, ob wirklich alles okay ist, aber sie sagen nur „go, go“ und weisen auf die Tür. Draußen checkt man nochmal, ob ich den Zettel erhalten habe und winkt mich durch.
Keine Ahnung, ob das stimmt, aber mein Eindruck ist, man wollte mich unter dem Vorwand des fehlenden moldawischen Stempels abzocken. Und ich hab offensichtlich nicht verstanden, was das soll und daher haben sie mich schließlich gehen lassen. Im Nachhinein war das Protokoll aber vielleicht auch das, auf dem man das Hotel eintragen musste, um 24 Stunden Aufenthalt zu erhalten.
Statt 24 Stunden Aufenthalt habe ich dann nur zehn bekommen, bis 21:37 Uhr am selben Tag. So steht es auf dem Zettel, den sie mir an der Grenze gegeben haben. Im Hostel klärt man mich auf: Hätte ich das Hotel/Hostel samt Adresse angegeben, hätte ich 24 Stunden Aufenthalt bekommen und ein Anruf des Hostels hätte zum Verlängern des Aufenthalts vermutlich genügt. So muss ich persönlich zusammen mit einem Angestellten des Hostels im Migration Office erscheinen, um die Verlängerung durchzuführen. Das macht der Hostel-Besitzer gerne (verlangt aber fünf Euro dafür). Er sagt, wir sollen uns um 21:00 Uhr vor der Migrationsbehörde treffen. Okay.
Etwas später fällt mir auf: 21:00 Uhr? Haben Behörden da typischerweise noch geöffnet? Wenn nicht, dann hätte ich ein echtes Problem, denn ab 21:37 Uhr wäre ich illegal im Land. Dieses Risiko macht mich dann doch etwas nervös. Ich finde im Internet in einem Forum von 2011, dass das Office um 17:00 Uhr schließt. Es ist bereits nach 18:00 Uhr. Ich beschließe, einfach mal hinzugehen. Noch habe ich Zeit, den Typ vom Hostel anzurufen, um das Problem zu lösen oder zur Not rechtzeitig mit dem Bus das Land zu verlassen. Ich kann ja wieder neu einreisen, um das Rad zu holen.
Im Pförtnerhäuschen sitzt tatsächlich noch jemand hinter einem großen Schreibtisch. Natürlich spricht er kein Englisch. Ich zeige ihm meinen Einreisezettel. Nach langem hin und her bin ich recht sicher ihn verstanden zu haben: Das mit meinem Einreisezettel ist kein Problem. Tatsächlich ist es okay, wenn ich um 21:00 Uhr mit dem Typ vom Hostel auftauche. Er sei dann noch da. Und anscheinend lässt sich das alles dann lösen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass das klappt. Wenn nicht, wäre ich illegal in Transnistrien, ein Land, für das sich keine deutsche Botschaft zuständig fühlt.
Ich setze mich in ein Café, bestelle eine heiße Schokolade und warte nervös darauf, dass die Zeit vergeht und es 21:00 Uhr wird. Falls das nicht klappt, falls zum Beispiel der Hostel-Typ einfach nicht auftaucht oder ich den Pförtner doch nicht richtig verstanden habe, wird es kaum mehr möglich sein, rechtzeitig das Land zu verlassen.
Um 20:45 Uhr treffe ich wieder beim Pförtnerhäuschen ein. Die Jalousien wurden heruntergelassen. Auf den zweiten Blick erkenne ich erleichtert, dass dahinter noch Licht brennt. Der Pförtner hat mich bemerkt und öffnet das Fenster. Ich kommuniziere, dass der „man hostel“ bald kommen müsste. Und tatsächlich kommt er noch vor der verabredeten Zeit! Dann geht alles sehr fix, ein Formular wird ausgefüllt, ich unterschreibe und bekomme einen gestempelten Wisch, der mir den Aufenthalt bis zum 25.09. erlaubt – einen Tag länger als nötig.
Als wir die Behörde verlassen klärt mich der Hostelbesitzer auf: Zu den regulären Öffnungszeiten kann man seinen Aufenthaltsstatus nicht am Pförtnerhäuschen verlängern, sondern nur in der eigentlichen Behörde. Beim Pförtner geht das nur in Notfällen wie meinem. Und da der Pförtner wesentlich schneller und unbürokratischer arbeitet, versucht er nie zu den regulären Öffnungszeiten zu kommen.
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